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Tells Tochter

Julie Bondeli und die Zeit der Freiheit, Roman

Erschienen am 09.08.2004
19,90 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783312003426
Sprache: Deutsch
Format (T/L/B): 2.3 x 20.9 x 13.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Im 18. Jahrhundert macht in Bern eine mutige junge Frau von sich reden: Julie Bondeli mischt sich ein in die politischen Debatten der Männer, sie ignoriert deren Regeln für das weibliche Geschlecht, sie korrespondiert mit den führenden Köpfen der Aufklärung und erringt Bewunderung auch bei ihren Gegnern. Als Julies Lehrer und Vertrauter Samuel Henzi öffentlich hingerichtet wird, kämpft sie unbeirrt für seine Ziele weiter: Demokratie und Freiheit. Einfühlsam und kraftvoll erweckt Eveline Hasler die Tapferkeit dieser schillernden Frau zu neuem Leben.

Autorenportrait

Eveline Hasler (* 22. März 1933 in Glarus) ist eine Schweizer Schriftstellerin. Eveline Hasler studierte Psychologie und Geschichte an der Universität Freiburg und in Paris. Anschließend war sie als Lehrerin tätig. In den Sechziger- und Siebzigerjahren verfasste sie Kinder- und Jugendbücher, danach auch zunehmend Lyrik und erzählerische Werke für Erwachsene. Haslers Werk wurde vielfach ausgezeichnet - unter anderem wurde das Werk Komm wieder, Pepino auf der Ehrenliste des Hans-Christian-Andersen-Preises aufgeführt. 1994 erhielt sie für ihr literarisches Gesamtwerk den Droste-Preis. Ihre Bücher sind bisher in zwölf Sprachen übersetzt.Eveline Hasler ist Mitglied des Vereins Autorinnen und Autoren der Schweiz und des Deutschschweizer PEN-Zentrums. Ihr Vorlass befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern. Die Autorin lebt in Ronco sopra Ascona (Kanton Tessin).

Leseprobe

«Glück und Leidenschaft», sagte er, den Faden des Gesprächs wiederaufnehmend, «sind es nicht Themen unserer Generation? Die wissenschaftlichen Akademien veranstalteten neuerdings Preisausschreiben über Fragen wie: » Julie stimmte ihm zu. «Ist das Glück nicht wichtiger als die Gelehrtheit, Zimmermann? Was nützt unser illuminiertes Zeitalter, wenn wir bei all dem Fortschritt nicht glücklich sind? Doch mir scheint, Glücklichsein muß gelernt werden.» Sie hatte sich in Eifer geredet, ihre Kohlenaugen sandten kleine Blitze aus, die Wildheit ihres Ausdrucks entzückte Zimmermann. Er erinnerte sich an Stellen in Wielands Briefen, wo von Julies graziöser Figur die Rede war, und an anderer Stelle: Sie hat eine Welt von Verstand in den schönen Augen. Zwar erwähnte der Dichter Nase und Stirn, die dem Eindruck des Ganzen zuwider waren, aber Zimmermann strich das in Gedanken durch. Wieland, diese emotionale Windfahne. Wahrhaftig, er hätte nicht so lange hin und her gefackelt, wenn er Wieland gewesen wäre! Julie gegenüber drückte er diese Empfindung in abgewogenen Worten aus: «Ich bin ein verheirateter Mann, Julie, aber Sie beeindrucken mich. Dieser Abend bleibt unvergessen.» Sie betrachtete amüsiert sein Gesicht, der untere Teil mit dem wuchtigen, kantigen Kinn erschien ihr jetzt hölzern, ja nußknackerhaft, doch die obere Gesichtspartie machte alles wieder wett mit den lebhaften Augen und der freien Stirn. Der Mann hat etwas Steifes, Redliches, dachte sie, sein Blick verrät das empfindliche Gemüt. Noch ahnte sie nicht, daß ein Dämon in ihm steckte. «Freundschaft zwischen Mann und Frau ist immer möglich, Zimmermann, was soll daran unziemlich sein?» sagte sie. Er stutzte, dachte an die enthusiastischen Briefe, die Wieland an Zimmermanns Frau schrieb, und fragte dann schnell, um seine Verlegenheit zu überspielen: «Sie lesen Rousseau?» «O ja, im Moment die . Und wie halten Sie es mit unserem französischen Enfant terrible?» «Die Neuerscheinung, von der Sie sprechen, besitze ich leider noch nicht, doch ich kenne seine Briefe und Essays. Ich verehre Rousseau. Wenn Sie meine Arbeit über den Nationalstolz lesen, werden Sie Spuren dieser Lektüre erkennen. Da sind auch einige gewagte Ausfälle gegen die Berner Aristokratie, die vielen, auch dem großen Albrecht Haller, in den falschen Hals geraten.» «Sie wagen es also, sich von Ihrem Meister Haller, dem Gegner Rousseaus, zu distanzieren?» «So ist es.» Er lachte bitter. «Schüler und Lehrer bringt der Lauf des Lebens manchmal auseinander.» «Das macht Sie sympathisch. Wir sind Freunde.» Sie reichte ihm die Hand. Er blickte auf die gut gepolsterte kleine Hand und verwarf den Einfall, sie zur Besiegelung der neuen Freundschaft zu küssen. Handküsse empfand er als lakaienhaft, sie paßten nicht in ein demokratisches Land, wird er später in einem Essay urteilen. So entschied er sich für einen dezenten Kuß auf die Stirn. Seine Annäherung geriet etwas unbeholfen, als gelte es, seine Locken zu schonen oder die ihren, ein bißchen Puder stob auf. «Als Beweis meiner Freundschaft dürfen Sie meinen Gedankenbrief lesen. Ausnahmsweise.» Sie lachte und er beugte sich über ihre Notizen. Wir sind, chérissime Sophie La Roche, süchtig nach Glück und Freiheit. Halten Ausschau nach Landstrichen, wo wir es zu finden hoffen, unser freies Glück, unsere glückliche Freiheit! Die Schweiz, die Schweiz, werden Sie rufen, denn Herr Haller hat mit seinem Poem in ganz Europa den Philhelvetismus geweckt, und Sie schreiben mir, Ihr Gatte denke da Leseprobe